Wieviel Kilo Gesinnung muß man abspecken?

Wieviel Kilo Gesinnung muss man abspecken?

224 Seiten Taschenbuch € 8,90 ISBN 3-499-61458-8
224 Seiten
Taschenbuch
€ 8,90
ISBN 3-499-61458-8

Daniela Dahns Anstiftungen zum Widerspruch
Von Rainer Kasselt

Sich schreibend einmischen heißt stören. Das ist ein Glaubenssatz der Publizistin Daniela Dahn (53). „Schreiben heißt abweichen und rebellieren, attackieren und ironisieren.” Schriftsteller sind in ihren Augen nicht dazu da, Harmoniebedürfnisse zu stillen.

Eine harmonische Daniela Dahn wäre vielen lieber. Zum Beispiel der konservativen „Welt”. Die Springer-Zeitung behauptete am 17. April 2002: „Eine Frau spaltet die deutsche Nation”. Eine solche Arbeit liegt weder in ihren Kräften noch in ihrer Absicht. Egon Bahrs Charakterisierung, sie sei zu „einer wichtigen deutschen Stimme aus dem Osten” geworden, bringt die Wirkung von Daniela Dahns Büchern auf den Punkt. Wer wie sie den deutschen Vereinigungsprozess („Westwärts und nicht vergessen“, „Vertreibung ins Paradies”) kritisch begleitet, das Problembewusstsein schärft und analytische Gesellschaftsbefunde zu Papier bringt, wundert sich nicht über harsche Reaktionen. Die Autorin weiß: „Nur wer gezielt zuspitzt, dass er einen empfindlichen Nerv trifft, wird überhaupt gehört. Und muss dann selbst mit Angriffen rechnen.”
Sie warnt vor Kriegsabenteuern, dem Terrorismus der Ökonomie und vor einseitiger Betrachtung der DDR. Die Texte mischen sich global und national ein. Kriege werden nicht von Völkern gewonnen, schreibt sie. Nur von Regierungen. „Eine Minderheit verdient dabei so viel, wie die Menge draufzahlt.” Für das Geld, das der Kosovo-Krieg gekostet hat, so haben Fachleute berechnet, hätte man jeder Familie im Kosovo eine neues Haus mit Swimmingpool bauen können.
Es gehört zu den Stärken der Schriftstellerin, dass ihre Beispiele penibel recherchiert sind. „Wenn ich etwas mehr sagen will, dann muss ich mich mit Fakten gut absichern”, sagt sie in der von Andreas Berger moderierten Diskussion. „Man muss wasserdicht argumentieren.” Das habe sie in der DDR gelernt und könne sie heute gut gebrauchen.
Zu den Glanzstücken zählt ihre Tucholsky-Preisrede. Dort stellt sie eine Frage, die nicht nur auf die Grünen oder Sozialdemokraten gemünzt ist: „Wie viel Kilo Gesinnung muss man abspecken, um machtlinienförmig zu werden?”
Ob sie eine gesellschaftliche Vision habe, wurde Daniela Dahn gefragt. Ihre Utopie ist eine Gesellschaft, in der freiheitlich-demokratische und soziale Menschenrechte auf der Tagesordnung stehen. Eine solche Gesellschaft habe es noch nicht gegeben, sagt sie. Aber es löhne, sich für sie zu engagieren.