Mini-Utopie nach Corona: Ewiger Frieden

Daniela Dahn

Es war einmal ein Großmanöver, das zigtausende Waffen und Soldaten einflog als Speerspitze gegen jegliche Bedrohung. Defender bedeutete, mehrere Tausend Kilometer an die russische Grenze zu rollen, um dort abzuschrecken. Die Friedensbewegten protestierten ohne Hoffnung, der Marsch von 28 Staaten gen Osten sei eine überflüssige Drohgebärde, ein verheerender Beitrag zur Klimakatastrophe und Verschwendung von Geld und Ressourcen.
Noch bevor Mann und Maus Straßen und Schienen verstopften, wurde die Übung kontrolliert beendet. Kriegsschiffe drehten auf dem Atlantik um. Ein unsichtbarer Feind war aufgetaucht, der unter jedem Radar hindurchflog, sich von nichts abschrecken lies und totbringend das öffentliche Leben auf dem Globus lahmlegte. Die Soldaten mit ihren schweren Geschützen waren machtlos und traten die Heimreise an. Die Blamage über das falsche Konzept von Sicherheit war überwältigend. Der UN-Generalsekretär forderte einen sofortigen globalen Waffenstillstand. Als dieser eingehalten wurde, atmeten alle auf. Fortan verteidigte man sich weltweit gemeinsam gegen kaputtgesparte Gesundheitssysteme und Lungen verpestenden Smog. Gegen Hunger und Armut wurde auf Rat von Immanuel Kant ein Weltbürgerrecht erlassen. Zum ewigen Frieden waren es nur noch wenige Meter.

erschienen in der Freitag 15/2020