Dresdner Neueste Nachrichten 19.11. 2003
Publizistische Störgröße
Daniela Dahn las aus ihrem neuen Buch „Wenn und Aber”
von Tomas Gärtner
Schön der Titel des neuen Buches von Daniela Dahn mit seiner leicht provokanten Anspielung auf den juristischen Sprachgebrauch verrät etwas von ihrer Angriffslust: „Wenn und Aber. Anstiftungen zum Widerspruch”. Am Sonntagabend hat die 53-jährige Berliner Publizistin Aus-schnitte daraus in der Dresdner Herkuleskeule vorgestellt.
Manche Bücher haben ein Vorwort, dieses beginnt mit einer Vorwarnung. Ein alter Werbegag zum Anheizen der Vorfreude auf heiße Ware? Nein, in diesem Fall liegen die Dinge ein bisschen anders. Hier ist es eine Erwiderung auf die harschen Anwürfe, denen sie sich mit ihren Texten ausgesetzt hat. Eine ironische, aber notwendige Vorbemerkung. Zugleich eine Art grundsätzliche Positionsbestimmung. Daniela Dahn sieht sich als „unzumutbare Störgröße”, die mit wenigen Federstrichen die Republik gegen sich aufbringen kann, die polarisiert „zwischen Gut und Börse”. Eine, die die „gleiche Freiheit für alle” verteidigt. Eine, die jedoch auch weitergeht als andere, indem sie auf ihr „bedenkendes Verhältnis zum Eigentum” hinweist. Sich aber zugleich auf dem Boden des Grundgesetzes weiß, denn dieses, meint sie, erkläre Kapitalismus-Kritik geradezu zum Verfassungsgebot.
Dass man je sanft mit ihr umgehen wird in der öffentlichen Diskussion, darauf hofft sie wohl selbst am wenigsten. Auch an diesem Abend in der „Keule” schien sie innerlich gewappnet. Dass sie sich in der Diskussion am Ende in einem Wärmestrom ungeteilter Zustimmung wiederfand, damit hatte sie wohl kaum gerechnet. Ein Hauch von Meinungsstreit wenigstens hätte’s schon sein dürfen, das wäre dem Abend angemessen gewesen. Sie selbst erinnerte in einem ihrer Texte ja an Kurt Tucholsky, den Radikaldemokraten, dem sie sich geistesverwandt fühlt, und dessen Buch „Deutschland, Deutschland über alles”. Bei den Lesungen sei es seiner-zeit zu Tumulten und Schlägereien gekommen. Da seien heute noch längst nicht alle Steigerungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Zimperlich jedenfalls ist Daniela Dahn in diesem Buch nicht. In einer Rede zum Beginn des Afghanistan-Krieges bezeichnet sie den Terrorismus als ein Verbrechen, aber eines, das seine Ursachen habe. Und wer diesen Nährboden dünge, so ihre Folgerung, sei ebenfalls ein Verbrecher. Beim Blick in das bundesdeutsche Geschichtsbuch ihrer Tochter meint sie die gleichen Klischees und Verzerrungen wiederzuerkennen, die sie aus ihrer Schulzeit in der DDR kennt, nur seitenverkehrt. Sie schlägt vernachlässigte historische Forschungsthemen für eine andere Sicht auf die DDR-Geschichte vor, zum Beispiel die Auswirkungen des Volkseigentums auf die zwischenmenschlichen Beziehungen oder die Vorteile der atheistischen Erziehung für die Moral. Sie nennt die DDR eine „Diktatrie” und die Bundesrepublik eine „Demokratur”. Sicher, das ist zugespitzt, provokant. Und gelegentlich könnte es ihr Beifall von jenen eintragen, die die Gründerin des „Demokratischen Aufbruch” noch 1989 als Verräterin am Sozialismus beschimpft hätten. Doch immerhin ist es keine Lust an der puren, marktschreierischen Provokation, die diese Texte diktiert, hier waltet ein Ernst, der sich bisweilen in einer nachgerade staub-trockenen Nüchternheit des Stils ausspricht. Schon zu DDR-Zeiten, so er-zählte Daniela Dahn, habe sie als Journalistin gelernt, dass, wer mehr sagen wolle als üblich, sich durch Recherche absichern müsse. Seither argumentiert sie mit Fakten. Vornehmlich mit solchen, die den Konsens im Mainstream der Meinungsbildung stören.
Man muss weiß Gott nicht einer Meinung mit ihr sein. Was man ihr aber gewiss nicht vorwerfen kann, ist, dass sie rein ideologisch polemisiert. Was sie vom gebrochenen Selbstbewusstsein der Ostdeutschen berichtet, sollte zumindest nachdenklich machen. In ihrer Laudatio anlässlich der Verleihung des Aachener Friedenspreises steht der Satz: „Aber Angriffe sind bekanntlich kein Beweis dafür, dass man etwas falsch gemacht hat. Nur dafür, einen empfindlichen Nerv getroffen zu haben.”