Raus aus dem Schatten – CIA-Folterreport

erschienen in: der Freitag 0415

Westliche Werte verteidigt man am besten, indem man sie selbst einhält. Der CIA-Folterreport, belegt einmal mehr, wie wenig diese Regel noch gilt. Er ist eine gut 500 Seiten lange Zusammenfassung des 6.700 Seiten starken, weiterhin geheimen Berichts des Geheimdienstausschusses des US-Senats über Verhörpraktiken von 2001 bis 2009. Nach dem Abgang von Präsident George W. Bush haben Ausschussmitarbeiter Jahre lang etwa sechs Millionen Seiten CIA-Material sichten können. Es liegt nun der wohl umfangreichste und schwerwiegendste Bericht vor, den je ein US-Ausschuss verfasst hat. Die Parlamentarier, die den BND kontrollieren wollen, können angesichts solcher Kompetenzen nur vor Neid erblassen.

Es ist dem Westend-Verlag zu danken, dass er für die Herausgabe des deutschsprachigen Reports den sachkundigen Juristen und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Nešković gewonnen hat. Im Vorwort reflektiert dieser mit scharfer Logik und klarer Sprache die Konsequenzen der Situation und bietet im Anhang Lösungsvorschläge, sogar in fertiger Gesetzesform. Nešković beklagt zu Recht, dass eine Mehrheit der US-Amerikaner die Folterungen billigt und bestenfalls deren Nützlichkeit diskutiert, nicht aber deren Unzulässigkeit. Die Terroristen des 11. September hätten auch das Rechtsbewusstsein vieler Amerikaner beschädigt. Er fürchtet, die USA würden im Sumpf ihrer unerfüllten moralischen und politischen Ansprüche versinken. Der einstige Bundesrichter fordert von den Politikern, die Herrschaft des Rechts zu verteidigen, gerade auch bei politisch Verbündeten. „In einem Rechtsstaat lässt sich Terror nicht mit Terror bekämpfen.“

Hat die durch Präsident Barack Obama erfolgte Freigabe der Unterlagen zur Veröffentlichung auch damit zu tun, dass man nicht genau weiß, was die Snowden-Dokumente noch ans Licht bringen werden, und man die Flucht nach vorn vorgezogen hat? Wie brisant das Material ist, machen die zahllosen Schwärzungen im Buch geradezu augenfällig. Die so namentlich nicht identifizierbaren Folterer hatten weder Erfahrungen mit Verhören noch Kenntnisse über al Qaida oder gar über arabische Religion, Kultur und Sprache. So wollten sie nicht wahrhaben, dass die meisten der Gefolterten offenbar über Terrorismus wenig zu sagen hatten und in ihrer Qual andere Unbeteiligte belasteten.

Keine Erkenntnisse …

Die Schilderung der über Tage und Wochen angewandten Methoden ist schwer erträglich. Das Ertrinken simulierende „Waterboarding“ war inzwischen bekannt, das „Walling“, bei dem die Gefangenen gegen eine Wand geschleudert werden, weniger. Häftlinge sind nackt, nur mit Kapuze über dem Kopf, durch die Gefängnisgänge geführt und dabei geschlagen worden. Die medizinische Versorgung war generell, aber speziell auch nach der Folter, unzureichend. Eine beliebte Methode aller brutalen Vernehmer ist der Schlafentzug – aber bis zu 180 Stunden und in belastenden Körperhaltungen – das ist extrem. Einige wurden nur noch rektal ernährt. Wieder andere wurden in enge Boxen zusammen mit aggressiven Insekten gesperrt. Oder in Bottiche mit Eiswasser, eine Methode, die 1945 den Anklägern in den Nürnberger Prozessen geschildert wurde. Die Nazis haben viele Menschen, speziell in osteuropäischen Lagern, so zu Tode gebracht – wurde mit diesem Wissen gerechnet?

Besonders brutal war das Zufügen seelischen Leids. CIA-Gefangenen wurde erklärt, sie würden das Gefängnis nur in einer sargförmigen Kiste verlassen, schon weil die Welt nie erfahren dürfe, was ihnen geschehen sei. Einigen wurde gedroht, ihre Kinder würden geschädigt. Oder die Mutter würde vergewaltigt und ihr dann die Kehle durchgeschnitten werden. Neben körperlichen Schäden bekamen Gefangene Depressionen, Halluzinationen und Psychosen, nicht wenige unternahmen Selbstmordversuche.

Die meisten dieser Methoden, darauf gibt es im Report einen kurzen Hinweis, erprobten die amerikanischen Geheimdienste schon seit Jahrzehnten in aller Welt. Erinnert sei an das Kubark-Manual, ein Verhör-Handbuch, das 1963 herausgegeben wurde, in Südamerika und Chile Verwendung fand und im Vietnam-Krieg „verfeinert“ wurde. Aus dem aktuellen Report geht deprimierenderweise hervor, dass die CIA bereits vor den Anschlägen vom 11. September 2001 aus diesen Erfahrungen den Schluss gezogen hatte: Folter liefert keine geheimdienstlichen Erkenntnisse, sondern führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu falschen Antworten. Sie hat sich in der Vergangenheit als ineffektiv erwiesen. Man hat diese Verbrechen also wider besseren Wissens begangen. Warum? Auf Anweisung der Hardliner in der Regierung Bush? Um auf Teufel komm raus Schuldige präsentieren zu können, die von eigenen Versäumnissen und Verstrickungen ablenken?

Der Report belegt, dass die CIA an Teile der Regierung und an Medien permanent falsche Informationen lieferte und einzelne Journalisten ihre Storys mit dem Geheimdienst abstimmten. So wurde behauptet, eine Einstellung der verschärften Methoden würde zu Wissensverlusten führen, die viele Menschenleben kosten könnten. Woraufhin das Justizministerium empfahl, sich auf „Notstandsrecht“ zu berufen. Dabei waren die Erfolgsgeschichten gelogen, in keinem einzigen Fall hat die Folter Verwertbares gebracht. Die New York Times schrieb just an dem Tag, an dem Bush das Programm öffentlich anerkannte, die Verhörmethoden der CIA würden funktionieren.

http://www.thenation.com/article/193161/why-torture-report-wont-change-anything